Absichtliche Vereinsamung

Better off alone

Vereinsamung im Internetzeitalter wird von allen als Problem behandelt und nicht als etwas erkannt für das sich Leute freiwillig entscheiden. Tatsache ist eben "die Gesellschaft" ist kein sonderlich netter Ort und eine dysfunktionale Minderheit macht alle Probleme vor denen sich die Mehrheit isolieren muss. Durch mittlerweile über drei Dekaden kohlsche Friedensdevidende und bundesdeutsche Toleranz für alles auf das man alternativ Geld werfen kann sind die Manifestationen im analogen Leben fast überall präsent und damit die Anforderung das analoge Leben zu meiden.

Ich war letztens auf einer kleinen Veranstaltung da fanden sich an deren Rand abgenutzte Leute zusammen die untereinander ihre Dialoge hielten die man nicht anders als NPC Dialoge bezeichnen kann. Zwei verbrauchte Typen mit leeren Augen sind sich einig darüber dass es Menschen gibt die sind doof, dass sie doofe Menschen nicht mögen, dass sie sich gegenseitig dabei zustimmen dass es gut ist dass sie doofe Menschen nicht mögen, was diese beiden wohl für ein richtig tiefgründiges Gespräch über die Erkenntnisse der menschlichen Verfassung hielten, weshalb man von diesem Podest der geistigen Höhe gleich zum Sprung ansetzte auf "die Jugend heutzutage".

"Die Jugend heutzutage hängt nur vor ihrem Handy, würde nicht mehr rausgehen, blablabla". Im nächsten Moment geht es dann darum, dass diese verbrauchten Gestalten darüber reden welche Medikamente sie nehmen um die Schlafstörungen zu kontern, die eine Nebenwirkung ihrer jeweiligen Medikamentation mit Antidepressiva sind.

Spätestens an diesem Punkt fange ich an diese Leute aufzuziehen. Die Jugendlichen würden ja wirklich etwas verpassen eine Welt zu meiden wo Leute wie ihr rumlauft, selbst medikamentiert weil die Welt so schön ist oder was.

Die NPCs haben mich darauf hin als Hostile erkannt, Dialogue Tree engaged "Was ich hier jetzt rumprovoziere". Leute, ihr wollt was von der realen Welt und der Außenwelt und sowas quatschen und könnt dabei nicht mal mich handeln wie ich hier rumprovoziere. Friss deine Pillen und lass die Kids in ruhe, die wissen schon warum sie nicht da sein wollen wo du bist.

Es wird oft kritisiert, gerade an Instagram, dass Soziale Medien jungen Leuten unrealistische Bilder von Perfektion vermitteln würden, doch ich halte das für dummes Zeug. Erstens deswegen, weil für denjenigen, der dumm genug ist zu glauben dass ein Instagramfilter und Selfies mit Luxusautos etc. die Realität widerspiegeln würden, selbst mittelmäßigere Stufen von Erfolg bereits unerreichbar sind. Und zweitens, weil es keine schlechte Sache ist ein auch unrealistisches Ideal von Perfektion zu haben. Es ist keine schlechte Sache wenn man Leute aus ihrem Microkosmos herausnimmt und sie permanent misst und vergleichen lässt an dem Erfolg eines anderen, was eine demütigende Erfahrung sein kann wie sie frühere Menschen im Angesicht von Leichen gemacht haben und diversen Memento Mori in künstlerischen Darstellungen, die den Menschen daran erinnern, dass er eben nicht Superman ist, sondern sterben und verwesen wird und alle Reichtümer der Erde daran nichts ändern werden. Die Zeit der großen Influencer ist ohnehin vorbei und der Markt ist übersättigt während die Werbeeinnahmen austrocknen. Depressionen und Suizide unter Teenagern die durch solche Darstellungen im Internet dazu motiviert werden sehe ich also nicht als Nachteil, sondern als Bonus dieser Technologie.

Ebenso sehe ich das zusammenbrechen aller Subkulturen als willkommenen Bonus von Sozialen Medien, deren Internet Trends Musik und Mode überrollt haben. Die Subkulturen die auf diese analogen Merkmale gebaut haben konnten der Macht des Gefühl, kommuniziert als Meme, nichts entgegensetzen. Rock ist tot, Musik ist vorbei und die Industrie sind nicht mehr die Kingmaker die sie früher mal waren. Ihre Produkte von gestern sieht man als geschmacklos, hässlich und dumm, längst entlarvt als belanglose Halbwelt-Ästhetiken deren Träger als wandelnde Litfaßsäulen sich darunter nicht im geringsten in ihrer Lebensart unterscheiden von dem Repräsentanten einer angeblich völlig polaren Subkultur.

Ich bin sehr gespannt darauf wie die verschiedenen Gesellschaftsschichten und Generationen in der nächsten Zeit die Erkenntnis verarbeiten werden, dass die zunehmende Vereinsamung nicht ein Resultat von Technologie alleine ist, sondern daher, dass andere, jüngere Leute mit ihnen nichts zu tun haben wollen.